Hallo ihr Lieben,
willkommen zum zweiten Tag unserer Blogtour “Trümmermädchen” von Lilly Bernstein, ein historischer Roman der bei Ullstein Buchverlage erschienen ist. Gestern konntet ihr bei der lieben Nadine von Nadines bunte Bücherwelt eine Rezension zum Buch lesen. Ich habe der lieben Lilly ein paar Fragen zur Entstehung ihres Romans gestellt und ein paar sehr interessante Antworten erhalten. Aber lest selbst!
Interview mit Lilly Bernstein
Ab wann war dir bewusst, dass du Autorin werden wolltest? Was hat dich dazu bewegt?
Ich war acht Jahre alt und las „Oliver Twist“ von Charles Dickens. Ich verschlang es in einem Rutsch, und als ich es aus hatte, wusste ich: das will ich auch können, ich will Schriftstellerin werden. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie das klappen könnte. Meine Eltern waren Bäcker, ich kannte niemanden, der Schriftsteller war. Also wurde ich erst einmal Journalistin, immer mit dem Gedanken: irgendwann werde ich Bücher schreiben. Und so ist es dann ja auch zum Glück gekommen.
Inwieweit hat dich deine Kindheit bezogen auf den Roman „Trümmermädchen“ geprägt?
Es war weniger meine eigene Kindheit, es waren mehr die Erzählungen meiner Mutter. Sie hat die Nachkriegszeit als Kind erlebt, und ihre Erinnerungen haben mich inspiriert. Genau wie Marie hat auch meine Oma im Krieg ihre Bäckerei verloren, und auch sie hat sie ganz allein wieder aufgebaut, Stein auf Stein. Damit enden allerdings die Gemeinsamkeiten. Im „Trümmermädchen“ erzähle ich eine Geschichte, wie sie sich in dieser Zeit ereignen konnte, die einzelnen Charaktere sind frei erfunden.
Aber natürlich kann ich ganz genau berichten, wie es in einer Bäckerei duftet, wie Brot gebacken wird, was es mit der absteigenden Hitze des Ofens auf sich hat und mit dem Sauerteig – all das sind tatsächlich Erinnerungen aus meiner Kindheit als Bäckerstochter.
Hattest du die Möglichkeit Zeitzeugen zu befragen? Und wie emotional waren diese Recherchegespräche für beide Seiten?
Ich habe meine Mutter befragt und weitere Verwandte, und ich habe einen 90-jährigen Konditormeister getroffen, der den Krieg und einen Teil der Nachkriegszeit in Köln erlebt hat. Seine Erinnerungen haben mich tief bewegt. Er erzählte so lebendig, es war, als bangten wir gemeinsam im Bunker des Dischhauses, in dem er damals bei einem Bombenangriff verschüttet wurde. Diese Szene kommt übrigens im Roman vor. Zugleich hat er mir das alte Köln vor Augen geführt, das Vorkriegs-Köln, in dem die Kinder auf Schlitten den Domberg hinab sausten. Leser*innen werden auch dies im Roman wiederfinden.
Hat sich deine Sichtweise nach all den Informationen zu damaligen Zeitzeugen und den Geschehnissen daraufhin verändert?
Selbstverständlich. Ich gehe heute mit anderen Augen durch Köln. Ich sehe die Wunden, die der Krieg gerissen hat, und die bis heute zu erahnen sind – dann nämlich, wenn man weiß, wie es früher hier aussah. Und ich spüre den Mut und die Kraft, mit der die Menschen diese Stadt wieder aufgebaut haben. Bei Kriegsende war die Stadt leer, kaum jemand hatte dem Bombeninferno trotzen können. Doch kaum schwiegen die Waffen, kamen die Kölner in Scharen zurück, über Behelfsbrücken, zerlumpt, mit ihrem letzten Hab und Gut, und machten sich an die Arbeit. Diese Aufbauleistung der damaligen Generation, nicht nur in Köln sondern überall in Deutschland, weiß ich heute ganz anders zu würdigen.
Gibt es Autoren, die dir ein Vorbild sind oder dich inspirieren?
Ehrlich gesagt, nein. Ich habe diese Sache mit den Vorbildern nie verstanden. Egal, wie lange ich darüber nachdenke – ich habe einfach keine.
Wie kommt es, dass du Romane schreibst und nicht etwa Fantasy oder Thriller? Was fasziniert dich an diesem Genre?
Das „Trümmermädchen“ ist ja mein erster historischer Roman, und es stimmt, davor habe ich auch einen Roman geschrieben, „Erzähl mir was Schönes“. Aber davor habe ich einen Krimi verfasst, „Hinterhaus“. Für das „Hinterhaus“ gab es sogar den GLAUSER-Preis für das beste deutschsprachige Krimi-Debüt 2019. Und mein allererstes Buch war ein Memoir. In „Stellen Sie sich nicht so an!“ erzähle ich von den Folgen meines angeborenen Herzfehlers und wie das deutsche Gesundheitssystem mich beinahe das Leben gekostet hätte. Du siehst also: Ich liebe die Genre-Vielfalt, und ich bin selbst gespannt, was als nächstes kommt.
Wer sind die Helden deiner Kindheit? An welche Buchfiguren oder Filmfiguren hast du die meisten Erinnerungen?
Das ist, ehrlich gesagt, ein bisschen so wie mit den Vorbildern. Es gibt sie nicht wirklich. Seit ich lesen kann, verschlinge ich Bücher. Ich erinnere mich genau an den etwas staubigen Geruch in der Stadtbücherei, an die Klebefolien, in die die Bücher eingeschlagen waren, an die bunten Etiketten auf den Buchrücken. Alle vier Wochen lieh ich zehn Bücher aus, mehr durfte man nicht, und nach vier Wochen brachte ich sie zurück, alle ausgelesen. Meine Kindheit war ein Strudel aus Geschichten und Helden, und sie haben sich alle miteinander verwoben.
Wie war der Werdegang der Geschichte während des Schreibens? Welche Höhen und Tiefen hast du während des Schreibens der Geschichte durchgemacht?
Ich habe das „Trümmermädchen“ innerhalb von sieben Monaten geschrieben, inklusive Recherche. Das war intensiv, das war wie ein Sog, und weil zugleich die Pandemie ausbrach, war es auch ein bisschen irreal. Nicht zuletzt, weil es eine fürchterliche Parallele gibt: Heute sterben die Menschen an einer Seuche, gegen die es kein Mittel gibt, damals in der Nachkriegszeit war es die Tuberkulose, die „Weiße Pest“. Theoretisch gab es damals schon Penicillin, doch für die normale Bevölkerung war es schwer, daran zu kommen, es wurde auf dem Schwarzmarkt zu horrenden Preisen verhökert. Auch das kommt im „Trümmermädchen“ vor, und an manchen Tagen fiel es mir angesichts der Nachrichten schwer, weiterzuschreiben.
Wie viel Einfluss hattest du bei der Mitgestaltung des Covers zu „Trümmermädchen“?
Schon ein bisschen. Meine Lektorin hat mir die verschiedenen Entwürfe geschickt, und ich war von Anfang an begeistert. Ein paar kleine Änderungswünsche hatte ich, und die wurden berücksichtigt.
Wie sind die Protagonisten entstanden? Gab es für sie eine Vorlage oder haben sie während des Schreibens einen freien Willen entwickelt?
Die Protagonisten sind frei erfunden. Und wie alle meine Figuren verändern sie sich während des Schreibens. Es ist tatsächlich so, dass sie scheinbar einen eigenen Willen entwickeln, dass ich ihnen manches Mal erstaunt dabei zusehe, was sie gerade tun. Ich weiß natürlich, dass das im Grunde ich bin, die da spricht, aber wie das genau funktioniert, das werde ich wahrscheinlich nie herausfinden.
Was war bei „Trümmermädchen“ die größte Herausforderung?
Die Recherche. Es ist mein erster historischer Roman, und ich wollte unbedingt, dass alles stimmt, bis in die kleinsten Details. Also habe ich recherchiert und recherchiert. Irgendwann war ich ganz besessen davon, was die Leute damals trugen, was sie aßen, wie ihre Wohnungen aussahen, die Städte, die Straßenbahnen und die Pferdefuhrwerke. Manches konnte ich nicht herausfinden, das habe ich dann erfunden. Wer also noch Fehler findet, möge sie mir verzeihen und mir gerne eine Mail schicken.
Wie lange hat es gedauert von der Idee bis zum fertigen Buch? Was gehörte neben dem Schreiben noch alles vor allem an Zusammenarbeit dazu bis es zur Veröffentlichung kam?
Die Idee stammt vom letzten September, Mitte November hatte ich das Exposé entworfen, dann hat der Verlag beraten und mir den Auftrag gegeben, Anfang Juni war ich fertig. Das Lektorat war da auch fast durch, denn immer wenn ich hundert Seiten geschrieben hatte, habe ich sie an meine Lektorin geschickt. Ich bekam dann einen Teil des Manuskripts mit ihren Anmerkungen zurück, habe es überarbeitet und zugleich weitergeschrieben. Das war das erste Mal, dass ich so gearbeitet habe, und es war super, in einem direkten Austausch zu sein.
Mit welchen drei Adjektiven würdest du „Trümmermädchen“ umschreiben?
Das müssen ja eigentlich meine Leser*innen sagen 😉 Ich schlage vor: Spannend. Zu Herzen gehend. Historisch genau recherchiert. Ok, das waren mehr als drei Adjektive …
Was würdest du davon halten, wenn die Geschichte verfilmt werden würde? Wie sähe deine Wunsch-Besetzung der Hauptcharaktere aus?
Ich fände es wundervoll, wenn das „Trümmermädchen“ verfilmt würde! Mit den Lieblingsschauspielern ist es bei mir wie mit den Vorbildern, ich habe ehrlich gesagt keine. Aber Lina Beckmann als Marie und Charlie Hübner als böser Bäcker Büll, das könnte mir schon gefallen.
Wie dürfen wir uns deinen Arbeitsplatz vorstellen? Herrscht dort eher das „Kreative Chaos“ oder steht alles an seinem Platz und ist perfekt durchorganisiert?
Ganz klar: Bei mir herrscht das kreative Chaos. Und weil meine Katzen, wenn sie von draußen reinkommen, gerne über meinen Schreibtisch springen, finden sich auf meinen Notizzetteln überall süße kleine Pfotenabdrücke.
Kannst du uns schon verraten welche Projekte für die Zukunft geplant sind?
Das würde ich gerne, aber das ist noch geheim 😉
Wie wichtig sind dir Rezensionen? Liest du sie und wie gehst du mit Kritik um?
Rezensionen sind super wichtig, Lob genauso wie Kritik. Schlimm wäre es nur, wenn keiner was zu deinem Buch zu sagen hätte.
Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück
Eine zerstörte Bäckerei in einer zerbombten Stadt. Ein eisiger Winter, der tausende Opfer fordert. Und mittendrin zwei Frauen, die ums Überleben kämpfen, um die Liebe und die Erfüllung ihres Traums
Köln, 1941. Anna wächst bei ihrer Tante Marie und ihrem Onkel Matthias auf, einem Bäckerehepaar. Das Mädchen liebt die Backstube über alles, besonders den großen Ofen aus Vulkanstein. Doch mit dem Krieg kommt das Unglück: Matthias wird eingezogen und die Bäckerei bei Luftangriffen zerstört. Während Köln in Trümmern liegt und vom kältesten Winter des Jahrhunderts heimgesucht wird, schließt Anna sich in ihrer Not einer Schwarzmarktbande an und steigt zur gewieftesten Kohlediebin der Stadt auf. Als sie am wenigsten damit rechnet, verliebt sie sich – eine verbotene Liebe mit gefährlichen Folgen. Von Kälte, Hunger und Neidern bedroht, halten Anna und ihre Tante verzweifelt an dem Traum fest, die Bäckerei wiederaufzubauen. Und an der Hoffnung, dass die Männer, die sie lieben, irgendwann zu ihnen zurückkehren.
(Quellenangabe: Ullstein Buchverlage)
Lilly Bernstein
Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann, deren Debütroman Hinterhaus 2020 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Sie stammt aus einer Bäckersfamilie und wuchs zwischen Laden und Backstube auf. Ihre Mutter ist ebenfalls Bäckerskind und hat die Nachkriegszeit noch in lebendiger Erinnerung. Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück ist Lilly Bernsteins persönlichster Roman. Mit seiner Veröffentlichung geht für die Autorin ein Herzenswunsch in Erfüllung.
Homepage der Autorin: https://www.liobawerrelmann.com/
(Quelle Autorenfoto + Infos: https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/autoren/autor-detailansicht/name/lilly-bernstein.html; © Susanne Esch)
Liebe Grüße
eure Elchi
Transparenz:
Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit der Autorin Lilly Oliver und Literaturtest.
Banner, Buchcover und sonstige Grafiken © Literaturtest, © Lilly Oliver und © Ullstein Buchverlage
Hallo liebe Elchi,
Danke für das geführte Interview und die dadurch neu erhalten Infos zur Autorin und dem Roman.
LG..Karin…
Liebe Elchi!
Tolles Interview und sehr interessante Fragen. Schön, mit Euch auf Blogtour zu gehen!
herbstliche Grüße
Tina