Autorin: Julia Drosten
Originaltitel: Das Mädchen mit der goldenen Schere
Verlag: Self-Publishing (Januar 2018)
Seitenzahl: 393
Genre: Historischer Roman
e-book: B076BVNV8C | 4,99 €
Taschenbuch: 978-3000587214 | 10,95 €
Teil einer Reihe? Nein
Inhaltsangabe:
Fanny Schindler wird 1889 im Allgemeinen Wiener Krankenhaus anonym zur Welt gebracht und wächst im Findelhaus auf. Dort wird sie von der Oberpflegerin Josepha liebevoll, aber dennoch mit strenger Hand erzogen. Schließlich soll das Hascherl bodenständig sein und eine gute Stellung als Dienstmädchen oder Kammerzofe bei einer reichen Adelsfamilie finden. Doch Fannys Vorstellungen von Arbeit und sich dem unterstellen höherer Klassen sehen ein wenig anders aus und so kommt es hin und wieder vor, dass ihre moderne Art den alten Traditionen zu trotzen und ihr Vorlautes Mundwerk ihr manchen Weg verbaut. Doch all die Umstände kriegen Fanny nicht unter, denn sie hält an ihrem Wunsch nach Eigenständigkeit fest und auch ihr Interesse für Mode lässt sie nicht gehen. So ist ihre alte Nähmaschine ihr ständiger Begleiter. Ein Leben wie eine Achterbahnfahrt, aber Fanny hält allen Bedingungen stand und auch ihr größter Wunsch die Suche nach ihren richtigen Eltern und ihrer wirklichen Herkunft, von wo sie abstammt, lassen ihr keine Ruhe. Wäre da nur nicht die aufkeimende Liebe, welcher sie sich nicht hingeben darf und der plötzliche Krieg…
Meine Meinung:
„Das Mädchen mit der goldenen Schere“ von Julia Drosten ist ein historischer Roman, der das Leben der jungen Fanny Schindler beschreibt, die so gar nicht in die damalige Zeit passen will und jeglichen Traditionen trotzt.
Der Roman spielt gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Österreich-Ungarn. Damals war es üblich, dass nichtgewollte Kinder nach ihrer Geburt im Wiener Findelhaus abgegeben wurden und höher gestellte Damen diese im angrenzenden Krankenhaus sogar anonym zur Welt bringen konnten. Es herrschte eine Klassentrennung von Arm und Reich und auch die Aufgaben einer Frau waren strikten Regeln untergeordnet. Die Autorin hebt genau dies deutlich hervor und verweist besonders unmissverständlich auf die gesellschaftliche Lage der untersten Schichten.
So ist es der Autorin gelungen eine reale Handlung zu schaffen in der sie wichtige geschichtliche Ereignisse, wie den Beginn des 1. Weltkrieges nutzt und ihre Geschichte an den Wandel der Gesellschaft von alten Traditionen abzulassen und zur Moderne zu wechseln, hervorragend mit einfließen lässt. Auch die verwendete Sprache des Wiener Dialekts macht das Ganze umso authentischer und lies mich des Öfteren schmunzeln. Einen Pluspunkt dafür, dass die Begriffe am Ende in einem Glossar näher erläutert werden. Auch die Konfrontation mit dem Konflikt verbotener Gefühle ist gut in die Geschichte verwoben. Nicht nur die Gefühle hinsichtlich des Adelsstandes in Verbindung mit unteren Schichten, auch wird die Homosexualität aufgegriffen und auf besonders sensible Art behandelt.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich gezeichnet und so sind manche ein wenig mehr charakterstark ausgeprägt wie andere. Jeder von ihnen spielt jedoch eine wichtige Rolle im Gesamtbild der Geschichte und man erlebt wie sie sich im Laufe der Geschichte weiterentwickeln.
Fanny Schindler ist eine junge, moderne Frau, die den alten Traditionen trotzt und stets versucht ihren Willen durchzusetzen. Mit ihrem Dickschädel und ihrer leicht aufmüpfigen Art stellt sie sich dabei meist selbst ein Bein und verliert so manche Anstellung. Dies scheint ihr jedoch im Vergleich zu Josepha, der alten Dame, die bei Fannys anonymer Geburt im Findelhaus dabei war und sie nach einigen Umständen liebevoll bei sich aufgenommen und selbst groß gezogen hat, nichts auszumachen. Denn Dienstmädchen und Kammerzofe entspricht rein gar nicht Fannys Vorstellungen. Auch der Wunsch in Erfahrung zu bringen, wer ihre richtigen Eltern sind, ist tief in Fanny verankert und trotz aller Einwände und Gefahren lässt sie sich von Josepha nicht davon abbringen.
Dennoch habe ich trotz der sehr unterhaltsamen Geschichte, welche mir durch die Fakten zu den damaligen Umständen und des ein wenig unüblichen Lebensweges, so wie dem Heranwachsen Fannys in Verbindung mit einem angenehm lockeren Schreibstil einige Kritikpunkte anzumerken.
Für die gesamte Handlung hätte ich mir ein wenig mehr Tiefgang gewünscht. Mehr Gefühl und mehr Emotionen oder anhaltendere Gedankengänge. Die Empfindungen, Ängste und Sorgen Fannys und die der Frauen im Allgemeinen wurden mir oft zu oberflächlich dargeboten. Ich hätte gerne noch mehr mit ihnen mitgefühlt, was mich so eher nur leicht gestreift hat. Auch die Gefühle bezogen auf die Liebesbeziehung war mir zu unterkühlt. Ja, eine gewisse Distanz ist gut zu wahren, durch die Klassenunterschiede, den Krieg, etc. aber die Emotionen gerade hinsichtlich dessen haben mir irgendwie gefehlt.
Zudem konnte ich keinen roten Faden ausfindig machen hinsichtlich des Drangs Fannys Suche nach ihren Eltern und ihrer wahren Identität. Der Wunsch ihrerseits ist zwar stets vorhanden, wurde aber im Verlauf der Geschichte immer wieder in den Hintergrund gedrängt und urplötzlich mal wieder eingestreut, wie ein verloren gegangenes Puzzleteil, welches man plötzlich wiedergefunden hat.
Ebenso erging es mir mit den Zeitsprüngen, die die Geschichte macht. Die Übergänge erschienen mir nicht fließend genug und die Sprünge wirkten teils ein wenig willkürlich gewählt. Hier hätte man manchmal womöglich ein wenig mehr Info mit einfließen lassen sollen… Denn dies hat mich immer wieder ein wenig aus der Geschichte hinaus gebracht und meinen Lesefluss gestört.
Fazit:
„Das Mädchen mit der goldenen Schere“ von Julia Drosten ist ein historischer Roman mit einer starken Protagonistin, die den Traditionen ihrer Zeit trotzt und authentischen Dialogen im Wiener Dialekt. Eine lockere und unterhaltsame Geschichte für Zwischendurch!
3 von 5 Elchen
Vielen lieben Dank an die Autorin Julia Drosten für das bereitgestellte Rezensionsexemplar, welches mir im Rahmen einer Aktion über die Agentur “Spread and Read” zur Verfügung gestellt wurde!
Über die Autorin
Julia Drosten
Horst und Julia Drosten leben im Münsterland und hatten schon immer den Wunsch, Bücher zu schreiben. Fast genauso viel Spaß, macht ihnen die Recherche. Sie flogen schon zusammen in einem alten Doppeldecker oder ließen sich von einer Kosmetikerin verwöhnen. Für “Die Honigprinzessin” absolvierten sie einen Imkerkurs und für “Die schwarze Taube von Siwa” folgten sie in Ägypten den Spuren der alten Pharaonen und für die Elefantenhüterin besuchten sie u. a. wilde Elefanten auf Sri Lanka.
Ihr Bestseller “Die Löwin von Mogador” schaffte es im Juni 2014 auf Platz 1 der historischen Romane bei Amazon.
Julia Drosten schreibt bevorzugt historische Romane. Mit “Die Honigprinzessin” haben sie das erste Mal einen Gegenwartsroman geschrieben.
Bisher erschien von Julia Drosten:
The Elephant Keeper’s Daughter (2018)
Das Mädchen mit der goldenen Schere (2017)
The Lioness of Morocco (2017)
Die Elefantenhüterin (2016)
Die schwarze Taube von Siwa (2015)
Die Honigprinzessin (2014)
Die Löwin von Mogador (2013)
Die Seidenrose (2011)
Das Revuemädchen (2009)
Facebookseite der Autorin: https://www.facebook.com/Julia-Drosten-129716170471285/
(Bildquelle: https://www.amazon.de/Julia-Drosten/e/B008I2JLDE/)